WM Tag 7 & 8 | Platz 5 für Leo Neugebauer, Platz 11 für Manuel Eitel - so verlief der Zehnkampf
  27.08.2023 •     WLV , Top-News WLV , BLV , Top-News BLV , BLV-Wettkampf , BW-Leichtathletik , Top-Events , Top-News BW-Leichtathletik , Wettkampfsport , Leistungssport


Von Disziplin zu Disziplin stieg die Spannung im Zehnkampf der Männer. Leo Neugebauer absolviert seinen zweitbesten Wettbewerb und erreicht den 5. Platz. Auch Manuel Eitel schafft 3 neue Bestzeiten und zeigt eine solide Leistung in seinem ersten WM-Auftritt.

Tag 1

100m

Die deutschen Zehnkämpfer sind gut in den ersten Tag gestartet! So die zentrale Erkenntnis nach den 100-Meter-Sprints. Mit drei beziehungsweise acht Hundertsteln über ihren Zeiten der zurückliegenden Zehnkämpfe konnten Manuel Eitel (SSV Ulm 1846; 10,44 sec) und Leo Neugebauer (LG Leinfelden-Echterdingen; 10,69 sec) zufrieden sein.

Mit der drittschnellsten Zeit im Feld geht Manuel Eitel in den Weitsprung, nur Olympiasieger Damian Warner (Kanada; 10,32 sec) und Ayden Owens-Delerme (Puerto Rico; 10,43 sec) waren noch etwas besser. Leo Neugebauer verbuchte die zehntschnellste Leistung, Niklas Kaul (USC Mainz) sortierte sich wie gewohnt zunächst hinten im Feld ein.

 

Weitsprung

Schon nach seinem ersten Versuch ging ein Raunen durch das Publikum: Auf 7,83 Meter flog Leo Neugebauer da, 15 Zentimeter weiter als bei seinem deutschen Rekord von 8.836 Punkten. Der dritte Versuch aber veranlasste selbst den sonst so coolen Zehnkämpfer zu einem Jubelsturm entlang der Anlage, als die Weite aufleuchtete: 8,00 Meter! 13 Zentimeter weiter als je zuvor. Weiter als alle seine Konkurrenten. Und weit genug, um in der Gesamtwertung mit 1.992 Punkten bis auf 28 Zähler an Olympiasieger Damian Warner (7,77 m) heranzurücken.

Zu einer Enttäuschung wurde der Weitsprung dagegen für die anderen beiden DLV-Athleten: Manuel Eitel, zuletzt nach Problemen in seiner einstigen Parade-Disziplin wieder mit aufsteigender Form, musste sich mit 7,14 Metern begnügen.

 

Kugelstoßen

Die Leo-Neugebauer-Show geht weiter. Das Kugelstoßen bei seinem deutschen Zehnkampf-Rekord sei noch nicht optimal gewesen, hatte er im Vorfeld gesagt. In Budapest zeigte er, was wirklich in ihm steckt: 17,03 Meter! 80 Zentimeter weiter als im Juni in Austin, Texas (USA) und mehr als einen Meter weiter als der Rest der WM-Konkurrenten. Der 23-Jährige hat nun schon mehr als 100 Punkte Vorsprung auf seine Zehnkampf-Bestmarke herausgearbeitet und mit 2.908 Punkten als Führender 96 Punkte mehr auf dem Konto als Damian Warner (15,03 m).

Mit der gleichen ordentlichen Weite von 14,85 Meter verabschiedeten sich Niklas Kaul und Manuel Eitel in die Mittagspause. Beide haben schon über 15,00 Meter gestoßen, für Kaul war es aber eine Saison-Bestmarke, Eitel fehlten 44 Zentimeter zur Weite von Götzis. So stehen nach drei Disziplinen für den Ulmer 2.616 Punkte und Rang elf zu Buche, 78 fehlen in Summe zum Bestleistungs-Zehnkampf.

 

Stimmen nach dem Vormittag:

Leo Neugebauer (LG Leinfelden-Echterdingen):
„Über 100 Meter war mein Start nicht so gut, dann bin ich aber gut ins Rennen reingekommen. Im Weitsprung wusste ich, dass ich richtig weit springen kann. Im Training lief es da sehr gut! Der zweite Sprung war wahrscheinlich noch weiter als der dritte, aber knapp übergetreten. Im dritten habe ich dann die acht Meter geschafft, was ich schon so lange als Ziel hatte. Die Acht auf der Anzeigetafel zu sehen, war überwältigend. Wie ihr schon hört: Meine Stimme ist nicht mehr so gut, weil ich so viel geschrien habe. Im Kugelstoßen wusste ich, dass ich sehr weit stoßen kann, über 17. Dass ich das endlich mal abgerufen habe, ist top! Ich habe schon sehr viele Selfies gemacht. Ich versuche, immer locker zu bleiben. Auf die anderen Leute schaue ich gar nicht. Wenn ich das, was ich im Training mache, abrufen kann, dann wird das ein Top-Zehnkampf werden. Es pusht mich sehr, dass meine Familie und Freunde endlich mal zuschauen können, die meisten Wettkämpfe habe ich ja in Amerika gehabt. Die haben Spaß und ich habe Spaß, das ist top!“

Manuel Eitel (SSV Ulm 1846):
„Es hat Spaß gemacht, es ist eine schöne Atmosphäre und eine tolle Erfahrung. Es wäre eine noch tollere Erfahrung, wenn unter dem Strich nach drei Disziplinen noch ein paar mehr Punkte stünden. Über 100 Meter bin ich sehr zufrieden, im Weitsprung war einfach ein bisschen der Wurm drin, ich habe es technisch nicht hinbekommen, dann war’s schnell vorbei und ich konnte nicht gut agieren. Die Kugelstoß-Weite ist in Ordnung, die nehme ich, da ich im Vorfeld ein bisschen Probleme mit dem Handgelenk. Jetzt mache ich eine Pause und hoffe, dass es nach der Pause noch ein bisschen besser läuft.“

 

Hochsprung

Leo Neugebauer überwand 2,02 Meter, drei Zentimeter weniger als bei seinem deutschen Zehnkampf-Rekord, womit er mit 3.730 Punkten die Führung vor den nun punktgleichen Kanadiern Damian Warner und Pierce Lepage (3.662 pt) bewahrte.

Für Manuel Eitel gingen am Freitag 1,99 Meter in die Ergebnislisten ein, eine Höhe, mit der der 1,75 Meter kleine Athlet zufrieden sein konnte, zumal er in Götzis nur über 1,94 Meter gekommen war. 

 

400 Meter

Dass der Tag lang und hart gewesen war, zeigt die Tatsache, dass sie alle im Vergleich ihrer besten Zehnkämpfe einige Zehntel liegenließen. Ebenso erging es Leo Neugebauer (47,99 sec), der in Austin noch in 47,08 Sekunden im Ziel gewesen war. Mit 4.640 Punkten wahrte er dennoch seine Halbzeit-Führung und liegt 49 Punkte oberhalb seiner Zehnkampf-Bestleistung.

Nur zweieinhalb Zehntel fehlten Manuel Eitel über 400 Meter zum Hausrekord, er war nach 48,47 Sekunden im Ziel. Mit 4.296 Punkten liegt er  bei seiner WM-Premiere zurzeit auf Platz zwölf, 46 Zähler unter Bestleistung und damit auf Kurs in Richtung 8.300 Punkte.

 

Stimmen zum ersten Tag:

Leo Neugebauer (LG Leinfelden-Echterdingen):
„Mit einer PB am ersten Tag kann man gar nicht unzufrieden sein. In den letzten zwei Disziplinen wollte ich noch ein bisschen mehr. Aber ich habe alles gegeben, die Zuschauer waren klasse, ich habe echt Spaß gehabt. Ich bin sehr heiß auf morgen! Aber erstmal muss ich mich ein bisschen erholen. Schön was essen, bisschen was trinken, gut schlafen. Dann bin ich ready für den nächsten Tag. Ich kann nach so einer Belastung gut schlafen, sogar besser. Na klar! Ich bin total ausgepowert nach so einem Tag, der Tank ist auf Null, den muss ich wieder auftanken, dann kann es weitergehen. Der 400er hat sich ein bisschen schwerer angefühlt als in Austin, ich hatte keine Power mehr am Ende, das haben alle gesagt, die in dem gleichen Lauf waren. Aber unter 48, da kann ich nicht unzufrieden sein.“

Manuel Eitel (SSV Ulm 1846):
„Mit dem Hochsprung war ich sehr zufrieden. Die 2,02 wäre ich gerne noch gesprunge, aber die 1,99 waren meine Wunschhöhe. Die 400 waren ein bisschen schwer, da war die Aufregung ein bisschen verantwortlich, die Beine waren hintenraus ein bisschen fest. Jetzt bin ich ca. 50 Punkte hinter Götzis, nach dem Weitsprung habe ich gedacht, das hole ich nicht mehr ein, da war ich ein bisschen deprimiert. Das habe ich dann gut gelöst. Jetzt freue ich mich auf morgen, ich bin zufrieden mit dem ersten Tag und versuche, dass ich trotzdem über das Götzis-Ergebnis komme.“

 

Tag 2

110m Hürden

So viel können wir vorwegnehmen: Die 110 Meter Hürden liefen für das deutsche Duo nicht nach Wunsch. Sie standen beide im zweiten Rennen in den Startblöcken, dessen erster Startversuch zurückgeschossen wurde. Die gelbe Karte für den Fehlstart ging an Leo Neugebauer, der dies etwas verwundert, aber doch klaglos hinnahm – im Zehnkampf ist ein Fehlstart erlaubt, der zweite, egal von welchem Athleten, bringt die Disqualifikation mit sich. Das erhöhte den Druck auf das gesamte Feld.

Der zweite Startversuch glückte, allerdings nur so weit, dass alle Athleten ohne Rückschuss das Rennen aufnehmen konnten. Leo Neugebauer trat gleich die ersten drei Hürden um und geriet damit deutlich in Rückstand, im Ziel war er nach 14,75 Sekunden – ein herber Dämpfer, nachdem er bei seinem deutschen Zehnkampf-Rekord 14,10 Sekunden gesprintet war. Auch Manuel Eitel ärgerte sich im Ziel. Er war nicht gut aus den Blöcken gekommen, auch sein Rennen war kein flüssiges. In 14,39 Sekunden fehlten zwar nur elf Hundertstel zu seinem besten Zehnkampf-Resultat, eine Bestleistung im letzten Test-Wettkampf hatte ihn aber auf mehr hoffen lassen.

 

Diskuswurf

Mit der siebten Disziplin entwickelte der Wettbewerb noch einmal eine neue Dynamik – leider nicht zugunsten der beiden DLV-Athleten. Leo Neugebauer (LG Leinfelden-Echterdingen) tat sich in einer seiner Paradedisziplinen ungewohnt schwer. Reihenweise 50-Meter-Würfe hat er schon gezeigt, zuletzt 55,04 Meter beim deutschen Rekord. Dieses Mal kam er nur bis auf 47,63 Meter. Keine schlechte Weite, aber deutlich zu wenig, um vor seinen schwächeren Disziplinen Druck auf die Konkurrenz auszuüben, die überwiegend deutlich weiter kam.

Manuel Eitel trug den Ärger über den Hürdensprint mit in den Diskusring, deutlich war ihm die Verunsicherung anzusehen. Beinahe wäre es mit einem 36-Meter-Wurf zu einem Totalausfall gekommen, im dritten Versuch konnte er sich dann noch auf 41,30 Meter retten, etwa zweieinhalb Meter fehlten zu seinem besten Zehnkampf-Ergebnis. So setzt sich die Serie jeweils einiger verlorener Punkte pro Disziplin fort, mit etwa 100 Punkten unter Bestleistung macht er zurzeit dennoch den zweitbesten Wettkampf seiner Karriere. 5.912 Punkte bedeuten weiter Rang elf.

 

Stabhochsprung

Mit 5,21 Metern hatte Leo Neugebauer im Mai den Weg zum deutschen Zehnkampf-Rekord (8.836 pt) eingeschlagen. Auch in Budapest zeigte er starke Sprünge, nachdem er seinen Rhythmus gefunden hatte. Dieses Mal ging's über 5,10 Meter. Eine gute Höhe, genau genommen die drittbeste im Feld. Die weiteren Medaillenkandidaten aber ließen in dieser Disziplin ebenfalls keine Punkte liegen

Für Manuel Eitel ist sein erster WM-Zehnkampf weiter harte Arbeit, der Flow will nicht aufkommen. Im Stabhochsprung zeigte er gute Sprünge über 4,60 und 4,70 Meter, dann aber war Endstation. Auch weil er den dritten Versuch über 4,80 Meter abbrechen musste, dem Anschein nach mit Schmerzen im Fuß. In der Gesamtwertung sortierte er sich mit 6.731 Punkten auf dem zehnten Platz ein

 

Speerwurf

Fünf der aktuellen Top Sechs haben den Speer teils deutlich jenseits der 60 Meter einschlagen lassen. Leo Neugebauer (LG Leinfelden-Echterdingen) gehörte leider nicht dazu. Wenngleich er mit 57,95 Metern sogar seine Bestmarke um ein paar Zentimeter steigern konnte, muss er nach wie vor in den letzten zwei Disziplinen kleinere Brötchen backen. In Budapest führte das nun dazu, dass er von Platz zwei auf Platz vier zurückgefallen ist – und als schwächerer Läufer im Normalfall den Zehnkampf auf Rang fünf beenden dürfte.

Manuel Eitel lieferte mit getaptem Fuß einen für ihn guten Speerwurf ab, bei dem er mit 60,12 Metern seinen zehnten Platz verteidigte. Auch für ihn folgt nun die ungeliebtesten Disziplin des Zehnkampfs, mit einem Rennen im Bereich seiner Bestzeit kann er noch jenseits der 8.150 Punkte rauskommen und läuft damit um Platz zehn bis zwölf.

 

1500 Meter

Leo Neugebauer verlor über 1.500 Meter trotz Saison-Bestzeit von 4:43,93 Minuten noch einen Platz an Karel Tilga (4:20,73 min; 8.681 pt) und wurde mit starken 8.645 Punkten Fünfter. Nur zweimal zuvor in der Geschichte von Weltmeisterschaften hatte das nicht für eine Medaille gereicht, elfmal gab's dafür sogar Silber. Der 23-Jährige absolvierte in Budapest den zweitbesten Zehnkampf seiner Karriere und deutete mit phänomenalen Leistungen in mehreren Disziplinen an, dass in Zukunft auch sein deutsche Rekord wieder wackeln wird.

Einen versöhnlichen Abschluss mit neuer 1.500-Meter-Bestzeit von 4:33,70 Minuten gab es für Manuel Eitel, der insgesamt auf 8.191 Punkte kam und damit Elfter wurde. Nach drei neuen Zehnkampf-Bestmarken in Folge fehlten ihm dieses Mal 160 Zähler zum Hausrekord. Für den 26-Jährigen war die WM-Premiere ein Wettkampf zum Lernen und Durchbeißen – und einer, der ihm den weiteren Weg in die Weltspitze aufzeigen soll.

 

Stimmen zum Wettkampf:

Leo Neugebauer (LG Leinfelden-Echterdingen):
„Die Punktzahl war gut, damit kann ich nicht unzufrieden sein. Es hätte besser sein können, aber es war jetzt der erste Höhepunkt, bei dem ich einer der Top-Favoriten war – fünfter Platz, damit kann ich nicht unzufrieden sein. Vor dem 1.500er wussten wir schon genau, wo ich landen würde. Für mich war das ein Top-Rennen, bei Weitem das Schnellste, was ich in dieser Saison gelaufen bin. Ich wollte einfach nur keine Krämpfe bekommen, ich bin durchgekommen und bin happy. Bei den Hürden waren meine Beine ein bisschen schwer, ich war ein bisschen verkrampft. Die Lehre: noch ein bisschen lockerer bleiben, immer ich selbst bleiben. Beim Stabhochsprung habe ich damit wieder angefangen, alles zu genießen, und dann ging es auch wieder bergauf. Die Stimmung in Europa ist einfach unglaublich. Das kann man gar nicht vergleichen mit Amerika. Das hat mir so viel mehr Spaß gemacht als Eugene. Ich freue mich schon auf Paris!“

Manuel Eitel (SSV Ulm 1846):
„Für mich war es definitiv ein Zehnkampf zum Lernen und zum Wachsen. Die ersten drei Disziplinen heute haben gar keinen Spaß gemacht. Es ist ein Zeichen, dass die 100 Meter und die 1.500 Meter – die Disziplinen, bei denen man am wenigsten denken muss – am besten gelaufen sind. Ich habe das Gefühl, dass an den zwei Tagen technisch viel daneben ging. Es ist schwierig, den Gedanken an die Bestleistung ziehen zu lassen, ich habe mich lange daran geklammert. In dem Moment, wo es mir, blöd gesagt, egal war, wie viele Punkte ich mache, wurde es dann besser. Ich habe den Speerwurf genossen, obwohl der auch nicht gut war, und wenigstens waren die 1.500 Meter noch eine Bestleistung, mit mindestens einer wollte ich hier rausgehen. Es ist schwer zu akzeptieren, dass man bei so einem unglaublich tollen Wettkampf mit so guten Zuschauern und so einer Atmosphäre im Stadion nicht sein "A-Game" bringen und performen kann. Ich werde einfach lernen müssen, dass meine Frustrationstoleranz ein bisschen steigt. Nach drei Zehnkampf-PBs hintereinander war es heute eben einfach mal keine PB.“

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